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20. Februar 2012

Christian Wulff ist weg. Er war der Präsident der Geiz-ist-geil-Generation. Hier ein Schnäppchen dort ein Rabat; nicht wirkliche kriminelle Energie, aber ein gutes Stück weit neben allen Schuhen, bar jeglicher Empathie für das eigene Verhalten, in begnadeterweise nicht selbstreflexiv, was ja auch eine ziemlich herausrende Leistung ist, dass man dort wo andere Schamgefühle, Gewissen und solches Zeug haben, die Wahrnehmung für das Schnäppchen geschärft hat. ...

Möglicherweise hat er nie wirklich etwas wirklich Kriminelles getan, nur vielleicht hier und dort ein Vorteil für die Freunde, Amigos hiessen die früher im Süden der Bundesrepublik. Man kann ihm das kaum wirklich vorwerfen. Politik hat immer schon so funktioniert. Man muss ihm vorwerfen, dass er die Regeln den Geschäftes nicht verstanden hat. Er hat im entscheidenden Moment keine Einsicht geheuchelt. Das ehr ihn gewissermassen in seiner Unsäglichkeit.
Nun kommt also der gute Mensch von Sezuan. Der Christ soll es richten, nachdem er vor zwei Jahren nicht genehm war. Aufrichtigkeit als second best-Lösung. Gauck ist eine Verlegenheitslösung. Frau Merkel hat sich zurecht gegen ihn gesträubt; aus vermutlich nicht wirklich guten Gründen, aber immerhin. Denn man bringt nicht denjenigen, den man vor zwei Jahren inhaltlich bekämpft hat, nun als neue Konsenslösung, damit verhohnepieppelt man den Konsens.
Wenn Gauck die Wahl annimmt, dann täuscht er sich doppelt über dieses Amt, aber die doppelte Täuschung führt nicht als Ent-Täuschung ins Wahre, sondern ins doppelt Falsche. Wenn Gauck meint, er könne nun als der Unbestechliche, der er zweifelsohne ist, etwas bewirken, dann täuscht er sich über das Amt. Wenn er meint, jetzt sei die Zeit gekommen, dann täuscht er sich nochmals, denn seine Zeit ist nicht gekommen, mit ihm zieht nicht mehr Wahrhaftigkeit ins Amt, sondern die Wahrhaftigkeit ist zur politischen Ware verkommen, die jetzt eingekauft wird, weil man vor zwei Jahren meinte, sie nicht nötig zu haben. Damit aber ist die Ehre der Ethik versaut. Was immer ein Bundespräsident Gauck als mahnende Worte sagen kann, ist schon bevor er spricht, zum Kitsch verkommen, denn er spricht nur faut de mieux. Seine persönliche Überzeugung, die er ohne Zweifel hat und die aufrichtiger und ehrenhafter ist, als jene seiner Vorgängers, der nun den «Ehrensold» dafür erhält, wird durch die Art und Weise, wie er ins Amt gekommen ist, entwertet, ist zum Spektakel verkommen. Der Bundespräsident wird damit unweigerlich zum Moralclown des Landes, mit der ethischen Pappnase im Gesicht. Schade um den aufrechten Mann.
Das Amt selbst ist beschädigt, nicht weil einer es nicht anständig auszufüllen vermocht hätte, sondern weil jene, die ihn wählten grundsätzlich sich nicht von seinen Auffassungen von Politik unterschieden haben und sich auch heute nicht unterscheiden.