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Wenn heute Gesamtarbeitsverträge und Invalidenversicherung angegriffen werden, ist es vielleicht auf einmal weider nützlich, sich an die Geschichte der Invalidenversicherung zu erinnern, die wie das Frauenstimmrecht und dieAHV eine der Forderungen des Generalstreiks von 1918 gewesen ist, also ein Kampfziel der amaligen Arbeiterbewegung. Der Bias, der in den Forderungen gelegen hat zeigt sich sehr schön in den Zeitspannen ihrer Verwirklichung, Die AHV wird 1948 eingeführt, die IV 1962, das Frauenstimmrecht 1971.

 

Weisser zeigt, dass die Ziele des Diskurses schlicht und einfach darin bestehen, die Fallzahlen zu vermindern.

Die SVP hat das kürzlich in einem Communique so dargestellt, dass die Fallzahlen einfach den finanziellen Möglichkeiten anzupassen seien. Interessant ist, dass hinter diese Argumentation nicht nachgefragt wird. Weshalb müssen Budgets ausgeglichen sein, weshalb müssen Steuern gesenkt werden, weshalb ist wirtschaftliches Wachstums so wichtig?

Die Antworten, die wir hören sind immer die, dass nur durch Wachstum die Probleme des Wachstums gelöst werden können.

Das erinnert an die Geschichte jenes Mannes, der als er ein Loch im Garten sah, flugs zum Spaten griff, um das Loch auszufüllen. Er damit fertig war, bemerkte er, ein Loch in seinem Garten, ein noch grösseres als vorher. Er liess sich allerdings nicht entmutigen. Er trank ein Bier, spukte in die Hände, griff zur Schaufel und beganng das Loch auszufüllen. Als das Loch ausgefüllt war, sah er in seinem Garten ein noch grössere Loch .... Und bis auf den heutigen Tag füllt er die Löcher in seinem Garten durch das Ausheben von Löchern.

 

Vielleicht wäre es an der Zeit, sich darüber wieder einmal Gedanken zu machen.

Weisser spricht auch davon, dass öffentliche Einrichtungen Vertrauen darüber gewinnen, indem sie korrekt und sensibel auf die ihnen zur Bearbeitung aufgegebenen Problemlagen reagieren. Weisser sagt: »Öffentliche Einrichtungen dürfen deshalb nicht nach Missbräuchen sondieren, sondern sie müssen nach (Un-)Gleicheiten fragen und in diesem Horizont zu Feststellungen kommen, was wem in welcher Form zusteht; die Technoligen der Hilfe orientieren sich an der diskuriven Technik deer (Un-)Gleicheitsbewältigung und stellen Perfektionierungsfragen erst in diesem Rahmen« (Weisser, 2005, S. 31).

Weisser empfiehlt als Gegenmittel den Griff in die Regale der Demokratietheorie.

Demokratie meint die »Herrschaft des Volkes«, aber dieser Begriff ist so ideologisch wie nur etwas, denn dieses »Volk« gibt es nicht. Es ist eine Fiktion, die als Idee immer dann aufscheint und ein Stück Wirklichkeit gewinnt, wenn eine soziale Bewegung sich entwickelt.

»Volk« entsteht in der Dynamik eines Klasenvershältnisses und ist institutionell in der Moderne immer gefasst als »Volk als Nation«.

Jeder, der das irgendwo auf der Welt einmal erlebt hat, weiss, wovon ich spreche.

Das war 1974 in Portugal genau so, wie 2004 in der Ukraine, und als Miniaturphänomen in der Nordwestschweiz stellte die Kampagne gegen das AKW Kaiseraugst 1975 so ein Moment dar.

Das »Volk«  – le peuple in der französischen Revolution – im modernen politischen Sinne entsteht immer aus sich zusammenschliessenden Forderungsbewegungen, die Institutionalisierung solcher Bewegungen hat als Fluchtppunkt bisher immer den Nationalstaat gehabt und mit dessen Etablierung die Inszenierung der politischen Kämpfe um das Ausmasse des Einflusses im Staat.

Es sind die staatlichen Dispositive, die für die Bearbeitung der sozialen Probleme zuständig sind. Diese Dispositive enstehen aus den im Politischen geführten Diskursen über die Art diese Probleme etwa zwischen »Behinderung« und »Scheininvalidität«. Sie sind immer das Ergebnis politischer Auseinandersetzungen und Kämpfe und deshalb auch immer der Dynamik jeweils akuteller politischer Kräfteverhältnisse unterworfen.

 

 

Weisser, J. (2005). "«Scheinvalidität» oder Immanuel Kant als Sittenwächter." Schweizerische Zeitschrift fürHeilpädagogik(5): 25 - 32.