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Ich spreche von den SchauspielerInnen der Truppe Nalaga'at, die ich gestern Abend auf der Bühne des Israelitischen Gemeindehauses an der Leimenstrasse in Basel, neben der Synagoge, erlebt habe. Die zwölf SchauspielerInnen sind alle taubblind. Das heisst, dass sie meist blind, oder sehr schwer sehbehindert oder eben taub oder sehr schwer hörbehindert sind. Viele von ihnen zeigen die Symptome des Usher-Syndroms, ein Verlauf, bei welchem zuerst Blindheit eintritt, oft schon bei oder früh nach der Geburt und ab etwa zehn Lebensjahren das Gehör verlogen geht.

Das Theater handelt von den Träumen der Taubblinden, die eine Frau feiert eine rauschende Geburtstagsparty,  ein Mann möchte gerne Buschauffeur sein usw.

Eine andere Nummer zeigt eine Situation auf dem Büro der Sozialarbeiterin, die nicht versteht, dass ihr Klient, wenn er denn schon blind ist, auch nicht hört oder umgekehrt.

Ein Mann erzählt von der inneren Welt, er spricht, auch in Deutsch zu den Zuhörern. Er erzählt vom Reichtum der inneren Welt und der anderen Bedeutung, die Worte so für ihn erhalten, insbesondere, wenn er Gedichte liest. Aus der Poesie liest er mehr als die Sehenden und Hörenden wahrzunehmen vermögen, wie ihm Schriftsteller im Gespräch mitgeteilt habe. Er spricht aber auch von seiner grossen Einsamkeit. Dennoch meint er, möchte er die in der Einsamkeit des Nicht-Sehens, Nicht-Hörens und Schweigens gewonnene Sensibilität niemals mehr aufgeben, nicht einmal mehr gegenüber der Möglichkeit Sehen und Hören zu können.

Eine schöne junge Frau erzählt in Gebärden und Lautsprache von der Einsamkeit und der Traurigkeit ihrer Situation. Es ist ihr nicht möglich, sich einfach damit abzufinden. Sie spielt hervorragend und strahlt am Ende ihres Auftritts.

Eine ältere Frau, aus Russland stammend und vor acht Jahren nach Israel ausgewandet, hat frührer, als sie noch hören konnte Klavier gespielt. Als sie dies der Regisseurin erzählte, fragte diese ob sie Lust hätte, ein Lied auf der Bühne zu spielen. Die Frau meinte, das sei unmöglich.

Aber, da das Wort «unmöglich» im Sprachgebrauch von Nalaga'at nicht vorkommt, sitzt die Frau vor dem Keybord und spielt ein Lied auf eine jüdische (die Regisseurin sagt israelische) Fallschirmabspringerin aus dem zweiten Weltkrieg, die in Polen von den Nazis gefangen, gefoltert und getötet wurde.

Der Gründer der Truppe, ein ehemaliger Berufssoldat und Sicherheitsmensch spricht am Ende der Vorstellung darüber dass er noch nie zuvor in seinem Leben so tapfere Menschen erlebt habe, wie diese taubblinden SchauspielerInnern.

Die zwölf SchauspielerInnen werden von wenigstens gleich vielen DolmetscherInnen begleitet. Die Theateraufführung wird in Gebärdensprache übersetzt.

Am Schluss der Aufführen kann man mit den SchauspielerInnen sich unterhalten. Jugendliche der Jugendgruppe der jüdischen Gemeinde übersetzen die im Dialekt gestellten Fragen auf Hebräisch, die Assistentin tastet die Übersetzung der Schauspielerin auf die Hand, diese antwortet und so gelingt der Austausch. Das alles wirkt geradezu simpel einfach.

Es ist das Einfache, das schwer zu machen ist, hat uns Bertolt Brecht einmal gemahnt.

Hier wird gezeigt, was es bedeutet, wenn »unmöglich« möglich gemacht wird. Es wirkt alles erstaunlich einfach.

Selbstverständlich steckt harte Arbeit dahinter, aber die steckt auch hinter jedem Blödsinn, den wir auf dieser Welt anrichten.

Wir haben offenbar eine Wahlmöglichkeit für das eine oder für das andere.