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Die Kampagne erreicht jetzt gerade wieder einen ihrer öffentlichen Höhepunkte. Eines der Stichtworte in dieser Debatte ist das Ende oder die Grenze der Toleranz.

Der Aufsatz endet mit der offenen Frage, ab wann eine kosmetische Operation der Vagina ebenfalls als Verstümmelung zu verstehen sei. In den USA sind vaginalkosmetische Operationen ja auch ein Geschenk bestimmter Frauen an ihre Männer.

Kein Thema ist die Beschneidung der Buben.

In  der Psyche , der psychoanalytischen Zeitschrift, waren kürzlich Beiträge über die Traumatisierungen zu lesen, die Buben durch die Beschneidung erleben.

Zu stark wären die kulturellen Probleme, die man sich mit zwei monotheistischen Religionen einhandeln würde.

Und wie es der Zufall so will, lese ich heute über Mittag – im Gebäude des Modehaus Spengler, dort unterrichte ich  ab und an an der Berufsfachschule Gesundheit angehende Pflegefachkräfte in Soziologie – den Aufsatz von Robert Hertz von 1909 mit dem Titel «Die Vorherrschaft der rechten Hand. Eine Studie über religiöse Polarität».

Robert Hertz, der von 1882 bis 1915 lebte, er war ein Opfer des 1. Weltkriegs, gilt als ein wichtiger Schüler der fanzösischen Soziologenschule um Emile Durkheim und Marcel Mauss. Den Philosophen Hamelin «Essai sur les éléments de la représentation» zitierend, schreibt er am Ende seines Aufsatzes:

«Wie die Philosophen festgestellt haben (Hamelin im eben zitierten Essai, S. 76, eog), ist die Unterscheidung zwischen rechts und links eines der wichtigsten Elemente unserer geistigen  Ausstattung. Daher scheint es unmöglich, den Sinn und die Entwicklung dieser Unterscheidung zu erklären, ohne wenigstens implizit für die eine oder andere Lehre über den Ursprung des Wissens Partei zu ergreifen.

Man erinnere sich an die Streitigkeiten zwischen den Anhängern der These, dass das Wissen angeboren sei, um Unterschied zu denen, die davon ausgehen, dass Wissen in der Kindheit erworben werde.

Man erinenre auch an die trefflichen dialektischen Argumente. Doch die Anwendung einer experimentalen und soziologischen Methode bringt eine Überprüfbarkeit in diesen Streit der dogmatischen und widersprüchlichen Behauptungen. Die Nativisten haben sicherlich Siege errungen, denn die geistigen und moralischen Vorstellungen der Rechten und der Linke sind in der Tat Kategorien, die vor jeder individuellen Erfahrung kommen, da sie an die Struktur des sozialen Denkens gebunden sind. Doch auch die Empiristen haben recht, denn es handelt sich hier weder um unververänaderliche Instinkte noch um metaphysische und absolute Gegebenbheiten. Diese Kategorien sind nur mit Bezug auf das Individuum transzendet. Würden sie aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang, dem Kollektiivbewusstsein, gerissen, erschienen sie wiie natürliche Tatsachen, die von den Fügungen komplexer Bedingungen abhängen.

Wenn, wie es scheint, die Zuschreibung der zwei Hände, die Rechtseitigkeit der einen und die Linkslastigkeit der anderen, zu weiten Teil ein ein Werk des menschlichen Willens sind, dann ist der Traum von einer Menschheit, die mit «zwei rechten Händen» ausgestattet ist, keineswegs nur ein frommer Wunsch. aber auch wenn die Zweihändigkeit möglich ist, so folgt darauss nicht, dass sie erwünscht wäre, denn die sozialen ursachen, die zur Unterscheidung der zwei Hände führt haben, könnten Bestand haben. Dennoch rechtfertigt die Entwicklung, die sich vor unseren  Augen abspielt, kaum eine solche Vorstellung. Die Tendenz zur Angleichung der zwei Hände, ist in unserer Zivilisation nichts Vereinzeltes oder Unnormales. Die alten religiösen Repräsentationen, die zwischen die Dinge und die Wesen unüberwindbare Kluften setzten und die insbesondere die Vorherrschaft der rechten Hand begründeten, sind heute deutlich im Rückzug begriffen. Jedoch ist die Ästethik und die Moral noch nicht reif für den revolutionäeren Vorschlag, dass es für den Menschen grössere geistige und körperliche Vorteile bringen würde, wenn er der linken Hand wenigstens erlauben würde, ihre volle Entwicklung durchzumachen. Der Unterschied zwischen dem Guten und dem Bösen, der lange Zeit gleichbedeutend war, mit dem Gegensatz zwischen der rechten und der linken Hand, wird sich nicht aus unserem Bewusstseinv verteiben lassen, bis zum Tag, an dem die zweite Hand die Herausforderung annimmt, zur Lösung der menschlichen  Aufgaben beiträgt und zuweilen sogar die rechte Hand ersetzen kann. Wenn die Beschränkungen eines mythischen Ideals über die Jahrhunderte aus dem Menschen ein einseitiges und verstümmeltes Wesen machen opnnten, wird sich eine freiere und vorausblickende Gesellschaft anstrengen, den Wert der Energei besser zur Geltung zu bringen, die in der linken Hnd und der linken Körperhälfte schlummern und eine harmonische Entwicklung des Organismus in einer angemessenen Kultur sicherstellen»

Hertz, Robert (1909) in: Koppetsch, Cornelia (2000). Körper und Status. Zur Soziologie dere Attraktivität. Seite 267 -292.