Wir verwenden Cookies, um unsere Website fortlaufend zu verbessern und die Zugriffe statistisch auszuwerten. Mit der Nutzung unserer Webseiten erklären Sie sich damit einverstanden. Näheres dazu und wie Sie die Verwendung von Cookies einschränken oder unterbinden können, erfahren Sie in unseren Datenschutzhinweisen.

Beat E. Glestzi aus Aesch im Kt. Bl schreibt dazu:«Das Problem der «psychischen IV-Renter» wird zwar von verschiedenen Seiten beleuchtet, aber eine der Hauptursachen wir nur gestreift oder mit der zynisch klingenden Äusserung von Herrn Hasler, «Die Menschen sind für die heute steigenden Anforderungen schlechter ausgerüstet», abgetan. Als Betroffener, der heute noch an den Folgen der Behandlung durch verschiedene Arbeitsgeber leidet, wird es mir jedes Mal übel, wenn die heutigen Umstände der Arbeitswelt nur nett umschrieben werden. In vielen Firmen herrscht eine Art «Terror» bestehend aus bewusst in Kauf genommener Dauerüberlastung, Lohnänderungen und Mobbing als Methode, um Arbeitnehmer loszuwerden»

Renate Kolb aus Trüllikon im Kanton Zürich schreibt:«Es ist bekannt, das der Mensch, um gesund zu bleiben, gewisse Bedürfnisse befriedigen muss: etwas bewirken könnem, Sinnfindung, Gemeinschaft. Im Moment werden viele Menschen nicht mehr im Arbeitsprozess benötigt, sie werden mehr und mehr isoliert - kleine Läden und Poststellen, die neben ihrem Auftrag psychohygienische Funktionen übernommen haben, werden geschlossen. Wo Grundbedürfnisse der Menschen übergangen werden und natürliche Präventionen abgeschafft werden, bleiben die Folgen nicht aus. Eine Gesellschaft, in der nur zählt, was finziell renteirt, muss die Zeche dann bezahlen».

Ein Sozialpädagogie HFS aus dem Kanton Luzern fragt sich allgemein, ob die 5. IV-Revison nicht spät kommt, während Markus Brandenberger, Geschäftsführer Verein für Sozialpsychiatrie Zürcher Oberland, Bubikon (ZHB) festhält: «Es gibt viele gescheite Erklärungen für die Zunahme psychischer Behinderung und das entsprechende Anwachsen von Rentenzahlungen. Sie lassen sich auf die Feststellung komprimieren: In der Arbeitswelt hat es kaum mehr Platz für Geduld und Langmut, im sozialen Leben fehlt die Zeit für Krankheit und Genesung. Leider macht auch die Psychiatrie je länger,je mehr Symptombekämpfung statt Ursachenforschung. (....) Psychische Behinderung beeinrächtigt die Leistungs- und Erwerbsfähigkeit. Erschwerend kommt dazu, dass die gesundheitliche Sitaution der Betorffenen häufig labil ist und die leeistungsfähigkeit schwankend. Die Invalidenversicherung mit ihren starren Instrumenten ist hier h äufig überfordert. (...) Hasler forderung «wir müssen von den Leuten Mitwirkung bei der Wiedereingliederung verlangen – und ihnen andernfalls die taggelder entziehen» ist Ausdruck von Hilflosigkeit und Nichtwissen, gepaarft mit eienr gehörigen Portion Arroganz.

Was heute in kleinen Netzen mit grossem Erfolg umgesetzt wird, muss endlich in die anstehende Revision  aufgenommen werden, eine hohe Durchlässigkeit zwischen dem ersten, dem ergänzenden und geschützten Arbeitsmarkt inkl. der Abfedeerung von finanziellen Risiken und ein flexibles Ersatzeinkommen, das uinkompliziert auf Schwankungen der Erwerbsfähigkeit reagieren kann».

Die Auswahl an Leserbriefen, es sind vier, ich weiss nicht, wie viele Menschen an die Zeitung geschrieben haben, und ich kenne die Auswahlkriterien nicht, zeigt eine klare Richtung.

Diese Richtung kritisiert die «Wirtschaft» – was immer das auch sein mag – deren Gestresse,  deren mangelnde Sanfmut und deren mangelnde Risikofreudigkeit, denen Schuld an den steigenden IV-Renten zugeschrieben wird. Der Lobbyist der «Wirtschaft», Peter Hasler, wird kritisiert. Schuld haben immer andere, die anderen.

Keiner sagt etwa, ich kaufe keine Schnäppchen mehr, das ist mein Beitrag gegen die Zunahme der pschischen Behinderung, im Gegenteil «ich bin ja nicht  blöd», die Posttarife müssen billiger werden.

Und selbstverständlich, das ist alles ziemlich komplex.

Es ist interessant, dass kaum jemand einen Zusammenhang herstellt, zwischen den Trends, die unseren Lebensalltag beeeinflussen, an denen wir mal freudiger mal weniger begeistert teilnehmen, die aber ohne unsere Teilnahme nicht funktionieren würden, und der Zunahme von Menschen, die an psychisch bedingten Erkrankungen leiden.

Und es fällt mir auch auf, dass ich bisher keine einzige Stimme gehört habe, die sagt, es bestehe ein Zusammenhang zwischen dem Fehlen einer klassenkämpferischen Perspektive – sei sie noch so utopisch – und dem Anstieg von psychischen Erkrankungen. Es scheint keine keine gemeinsame Imagination jener Institution zu sein, die gleichsam generisch hinter alle Ausprägungen unserer Welt gelegt ist: die Institution der Lohnarbeit, die darin besteht, dass Menschen ihr Arbeitsvermögen nach Zeiteinheiten verkaufen müssen, da ihnen andere Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Das, was historisch einmal eine gesellschaftlich mächtige politische Bewegung, die Arbeiterbewegung, gewesen ist, besteht nur noch als relativ schwache, und unter Mitgliederschwund leidenden Gewerkschaftsbewegungen und einer sozialdemokratischen Partei, die sich von ihrem Herkunftsmilieu der so genannten Arbeiterklasse weit entfernt hat. «Arbeiter» als politische Kategorie und Arbeiterbewegung als eschatologischer Fluchtweg in eine bessere Zukunft sind aus den Denkhorizonten verschwunden. Sie vermögen deshalb auch nicht mehr, individuelle Kränkungen, Frustrationen usw. in einer kollektiven Bewegung zu strukturieren und damit die Individuen zu entlasten. Politische Bewegungen sind immer auch die Sammelbecken von psychisch Auffälligen Personen gewesen, das weiss jeder, der in ihnen Erfahrungen gemacht hat. Sie darauf allerdgins zu reduzieren wäre selbst wieder blöd. Die fusionierte Gruppe ( vgl. Sartre`s Kritik der dialektischen Vernunft) vermag eben gewisse psychische Momente, so zu binden und zu inszenieren, dass sie nicht als Krankheiten Vereinzelter sich manifestieren.

Doch eine solche Art zu Denken ist  zur Zeit weit in der soziale Amnesie versunken. Um sie wieder erinnern zu können, wäre ein Konzept notwendig, das strukturelle Spannungen und Ziel-Mittel-Konflikte, also Anomie denken könnte.