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Vermutlich hat es ewas mit einem Feher in der Bestimmung des logischen Typs zun tun. Wahrnehmung und Denken erfolgen nicht auf dem gleichen Abstraktionsgrad. So etwas könnte man gewiss empisieren, wenn man es denn tun möchte. Die Sache ergibt sich aus dem Struktur sozialer Vorturteile, die ja gerade deswegen funktionieren, weil sie logisch falsch typisieren. Sie verbinden die emotionale Reaktion auf eine konkrete Situation, also auf ein Handeln, mit dessen Bewertung auf dem Hintergrund einer allgemeinen Aussage. Hier ist das Körnchen Wahrheit, das Zipfelchen «wirklicher Wirklichkeit» zu finden, welche der Vorurteilshaftigkeit ihre scheinbare Anschaulichkeit verleiht.

Jeder kennt, oder weiss von einem, der einen kennt, der die Invalidenversicherung betrügt. Und in der nächsten Runde sind alle IV-Renter auf den Generalsvcerdacht hin zu überprüfen, ob sie denn betgrügen, ausgenommen, die «echten» Invaliden. Und deren Echtheit ist operationalisiert durch die vorurteilshafte Konstruktion ihrer Wahrnehmbarkeit. Der Kreis hat sich geschlossen, die Katze in den Schwanz gebissen, der Denkstil sitzt.

Soziale Unauffälligkeit ist gekennzeichnet durch ein Verhaltensrepertoire, dessen Performanz in solcher Variabilität stattfindet, dass es sich immer noch in jenen Zonen der desensibilisierten Wahrnehmung abspielt, welche die gesellschaftliche Normalität kennzeichnet.

Was das jeweils ist, ist räumlich-zeitlich keinesfalls fixiert, wie das Beispiel des Tragens von Kopftüchern zeigt. Waren solche zu bestimmten Zeiten in Mitteleuropa Ausdruck eines Brauchtums, das es je nach Standpunkt des Betrachters zu schützen oder zu überwinden galt, so sind heute Kopftücher – die ein wenig anders gewirkt und gefärbt sind, als jene, die dem Brauchtum zugeordnet werden – Ikonen geworden für eine Gesinnung, die gemessen an den naturrechtlichen Werten von der Freiheit der Menschen, der daraus abgeleiteten individuellen Autonomie und Verantwortung für das eigene Tun, rückschrittlich, moralisch als verwerflich und potenziell als gefährlich betrachtet werden.

Aus einem soziologisch gesehen banalen Problem der Migration ist eine Herausforderung kultureller Normalität geworden, die mehr über die Normalität aussagt als über deren mutmassliche Herausforderer.

Aus soziologischer Sicht ist das Problem insofern als banal zu bezeichnen, weil längst bekannt ist, dass Migranten, denen die Aufstiegskanäle in den Einwanderungskontexten relativ verschlossen sind, insbesondere, wenn sie der sogenannten «zweiten» oder gar «dritten» Generation gehören, also im Einwanderungskontext vielfach geboren, jedenfalls dort geschult worden sind, in einer oft brüsken Abkehr von den Standards des Immigrationskontextes abwenden und sich auf ihre «Wurzeln» zu besinnen suchen. Auch wenn es diese in einem gewissen Sinne nur noch als Imaginationen gibt. Denn wer emigriert ist, hat gerade seine «Wurzel» aufgegeben, sonst wäre er ja nicht fortgegangen.

Dass umgekehrt wahabitische Scheichs, islamistische Gruppen finanzieren, lässt sich aus ihrer Problematik des nouveau riche erklären, der sich im Hinblick auf die etablierte Ordnung, dieses Mal im eigenen Land zu rechtfertigen hat, was läge näher als die Alimentierung der Diaspora?

Selbst die Zusammensetzung der Attentäter des 11. Septembers 2001 lässt sich auf dem Hintergrund solcher anomietheoretischer Überlegungen plausibel erklären (die Grundlagen dafür haben u.a. die Arbeiten von Peter Heintz 1972 mit seinen Arbeiten über die Weltgesellschaft gelegt), nicht zufällig entstammen der gesellschaftlichen  Stratifikation der  sozialen Aufsteiger, denen strukturelle Zwänge die verheissenen Aufstiege erschwerten (wir finden hier eine soziologisch sehr ähnliche Situation wie jene der Attentäter der späteren RAF in Deutschland, der Brigate Rosse in Italen usw.).

Diese Art struktureller Spannung erzeugt anomische Spannungen, die eben dann, wenn sie ein gewisses Mass des Auseinanderklaffens von Zielen und Mitteln bei den gesellschaftlichen Akteuren Verunsicherungen über die Zentralität bestimmter gesellschaftlicher Werte entstehen lässt.

Die heutige Gesellschaft wird zu recht als eine der Individuen erklärt. Im Verlauf ihrer Ausbildung hat sich auch eine Sichtweise entwickelt, die in einem gewissen Sinne aus Menschen androgyne Monaden (vgl. Badinter 1989) zu machen scheint, Wesen deren einziger Sinn und Zweck des Daseins es zu sein scheint, Träger einer irgendwie zu konfektionierenden Arbeitskraft zu werden. Das, was einst die familiären Bande genannt worden ist, befindet sich im Hinblick auf seine gesellschaftliche Verbindlichkeit in Auflösung. Neben dem leichtern Eingehen und Lösen von Bindungen ganz allgemein in der modernen Gesellschaft bildet hier die stark erhöhte Mobilität der gesellschaftlichten Akteure einen wichtigen Grund für das Auftreten solcher monadisierender Phänomene. Die zur Lebensstil-Stilsierung sich entwickelnde Mode liefert hier intressante und nützliche Differenzierungsmöglichkeiten, die es sich monadisierenden Individuen erlaubt, sich zu unterscheiden, als durch die Stile nomadisierende Monade. Diese Unterscheidung lässt sich selbst wieder als Dienstleistung verkaufen und monetarisieren. Die Emotionalität der Klamottenmarken bei den Teenagern zeigt, wie gut dieser Prozess in die Orientierungsrahmen heutiger Subjekte eingelassen ist.

Schnitt –

Das Problem der Normalität lässt sich aber auch an Hand eines ganz anderen Beispieles zeigen.

Ich nehmen an einer Besprechung teil, die der Vorbereitung einer Veranstaltung an der Universität dient, mit dem Ziel, die Universität zu einem hindernisfreien Raum für Studierende mit einer Behinderung zu machen. Wir diskutieren mit Studierenden mit einer Behinderung über viele Aspekte dieses Phänomens, unter anderen auch über die Zugänglichkeit der Horsäle für sie.

Die Situation ist komplex.

Die Universität befindet sich seit Jahren im Umbau, die neuen Horsäle werden behindertengerecht gebaut. Es gibt bspw. Pätze für RollstuhlfahrerInnen. Eine der anwesenden Frauen im Rollstuhl erzählt mir, wie sie kürzlich in diesen grossen Hörsaal mit mehren hundert Plätzen rollte.

Der Saal ist ein riesiges Auditorium und unten vorne sind ein paar Plätze ohne Stühle für die RollstuhlfahrerInnen reserviert, ohne besonders als das gekennzeichnet zu sein. Es hat dort einfach keine Stühle. Sie bemerkt, als sie in den Saal hineinrollt, dass dort schon eine Studentin sitzt, die sich aus einer Ecke einen Stuhl geholt hat.

Sie rollt hin, fährt die Frau an: «Du sitzt hier auf einem für RollstuhlfahrerInnen resevierten Platz, such Dir einen anderen».

Sie sagt, sie habe es satt, jedes Mal Begründungen liefern zu müssen. Es sei ja wohl selbstverständlilch, dass in einem durchmöblierten Hörsaal, jene Plätze ohne Möbel für die Rollstühle reserviert seien.

Wir schauen sie an, uns war das bis soeben nicht so selbstverständlich klar.

Ein anderes Beispiel, eine Rollstuhlfahrerin findet es zwar richtig, dass für sie vorne im Hörsaal ein Platz reserviert ist, sie wäre aber viel lieber auch einmal in den hinteren Reihen, wo es während der oft langweiligen Vorlesungen viel lustiger ist.

Wir schauen sie erstaunt an.

Zur Integration in die Normalität scheint es ein weiter Weg zu sein.

Normal ist das, was nicht auffällt, was ist, ohne bewertet unterschieden zu werden. Lässt sich das Beispiel des Kopftuchs noch relativ leicht mit einigen soziologischen Konzepten erklären, welche die Dekonstruktion einer Orientierung aus dem Wachstum einer auf dieser Orientierung beruhenden ordnung heraus begreift, so scheint das Phänomen der Behinderung einer Analyse weit hartnäckiger zu trotzen.

Normalität ist das Ergebnis einer Wahrnehmungsdesensibilisierung.