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Ich habe die Sonntagszeitungen und die Montagszeitungen, die ich am Bahnhokiosk in Basel kaufen konnte in die Vorlesungsstunde mitgebracht. Die Studierenden sollen untersuchen, wie das Thema «Behinderung» in der Presse behandelt wird.

Fundstück Nr. 1 aus 20minuten, gefunden im Zug, S. 46.

Auf SF2 heute Abend, wenn ich schon lange schlafe (23.15– 00.40) das 1998 gedrehte Remake von «Das Fenster zum Hof» gezeigt. Christopher Reeve spielt darin die Rolle, die James Stewart gespielt hatte. Der Film wird in memoriam von C. Reeve gezeigt, der letzte Woche gestorben ist. Er spielte die Rolle als er schon gelähmt war.

 

Fundstück Nr. 2 aus 20minuten, S. 19

«Gehirnchip verbindet die Gedanken mit der Mailbox»

Ein pillengrosser Gehirnchip erlaubt es querschnittgelähmte Menschen, mit ihren Gedanken E-Mails abzufragen und Computergames zu spielen. Über zehn Jahre haben Forscher der Firme Cyberkinetics an einem Chip gearbeitet, der es Querschnittgelähmten ermöglicht, per Gedanken einen Computer anzusteuern.

Das Implantat ist derart leistungsfähig, dass der Patient in der Lage ist, den Computer mithilfe seiner Gedanken ein- und uaszuschalten - oder E-Mails abzufragen sowie Computergames zu spielen.

Der vier Quadratmillimeter grosse Chip wird an der Oberfläche des Gehirns in der Nähe der motorischen rinde platziert. Elektroden, die wie Stacheln auf der Oberfläche des Chips sitzen, stossen ungefähr einen Millimeter in das Gehin vor und messen die Aktivitäten kleiner Neuronen-Gruppen.

Nach der Operation zur Einplfanzung des Chips hängt den Patienten ein Kabel aus dem Kopf, über das sie mit einem Computer vernetzt werden. An einer kabellosen Version wird aber bereits gearbeitet.

«www.cyberkineticsinc.com», so lautet die Website, die angegeben wird.

Mein erster Gedanke: kabellos, damit ihm niemand den Stecker rausziehen kann.

Die Meldung hat mich zynisch gemacht. Wenn die Steuerung in die eine Richtung geht, könnte man sie doch auch in die andere Richtung gehen lassen. Z.B. könnte man so pädophile katholische Priester umprogrammieren in fröhliche Zölibatiker, um jetzt ein Beispiel zu nennen, von dem ein gewissen gesellschaftlicher Nutzen zu erwarten wäre.

Die Zeichen sind faschistoid. Vielleicht muss man wieder die proletarischen Grosschenromane aus den 20er Jahren lesen oder «Schöne Neue Welt» von Aldous Huxley oder sich den «Terminator» des Arnold Schwarzenegger ansehen. Die Verbesserung des Menschen, die Behebung seiner Mängel, der inneren und der äussseren, das war schon immer ein Programm gewesen, dem die Menschen sich zugewandt haben. Foucault spricht in solchen Zusammenhängen von der Gefahr der «moralischen Orthopädie», jemand anders davon, dass man sich dem Balken im eigenen Auge zuzuwenden hätte, bevor amn auf dem Splitter im Auge des Nachbarn zeige.

 

Auf der Gegenseite der Zeitung (S. 18) steht  das kleine Inserat, wo Gian Reto Plattner (Vizerektor der Universität Basel) sagt: «Das Stammzellenforschungsgesetz schützt vor Missbräuchen. Weil Regelungen besser sind als Verbote, untrstütze ich die Vorlage»

Am 28. November

«Ja zum Stammzellenforschungsgesetz. Wir forschen für Ihre Gesundheit.

Das Inserat: Komitee «Ja zum Stammzellenforschungsgesetz, Postach 5010, 8045 Zürich».

 

Wer ist wohl dieses «wir», das da für mich forscht? Wer immer da forscht, die ganze Forschung wird nur wegen des share holder value auf die Beine gestellt. Der präsumtive Nutzen für die Menschen behauptet. Kombiniert man die Computerchips im Hirn mit dem Herumdesignen an den Stammzellen, dann werden wir bald dem lieben Gott ins Handwerk pfuschen. In der SF-Literatur ist das alles schon lange erfunden, durchdacht, vervollkommnet und auch wieder kritiisiert worden. Von Stanislaw Lem, dem Philosophen der Zunft, bis zu den Groschenromanen am Bahnhofkiosk.

Heisst das, dass man solche Forschungen nicht machen darf und dass man einem gelähmten Mann nicht helfen darf, obwohl man es technisch könnte? Ich weiss es nicht so genau. Wie immer, wenn man etwas eher Unanständiges plant, sollte man es sich durch eine Ethikkommission absichern lassen und dabei einen Gegner des eigenen Interessen in der Gruppe habe, der lautstark ein ganz strenges Gesetz verlangt und dabei verantwortungsvoll an potenziell gefährdete Arbeitsplätze erinnert, sollte diesem Unterfangen nicht zugestimmt werden. Stakeholdernanalyse und situatives argument droping, helfen, dem wissenschaftlichen Tun den  optimistischen Glauben in dieses gesellschaftlich abzusichern.

Was im Laufe eines Lebens alles aufzuscheinen beginnt. Als ich geboren wurde, da hatten Watson und Crick eben erst mit der Doppelhelix die Form gefunden, mit der die Erbsusbstanz sich wissenschaftlich korrekt abbilden liess.

Als Ervin Chargaff dann vom «Feuer des Heraklit» sprach und von den Gefahren, die aus dem technischen Gebrauch solchen Wissens resultieren könnten, da nannte man ihn einen Neidling, einen Missgünstigen, der es nicht verwunden hatte, dass er den Nobelpreis nicht erhalten hatte.

 

Fundstück Nr 3. aus der NZZ (Nr. 244), 19. Oktober 2004, Seite14 (Inland)

«40 % der IV-Neurentner psychisch krank»

Bern, 18. Okt. (sda) Die Invalidenversicherung (IV) hat im vergangenen Jahr 31000 neue Rentner aufgenommen. Mehr als die Hälfte der Neurentner waren über 50 Jahre alt. in 40 Prozent dere Fälle wurde die Rente wegen einer psychischen Erkrankung ausgesprochen. Die Merhheit der 27000 in der Schweiz lebenden Neurentner waren zudem männlich, wie der jüngsten IV-Statistik des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV) zu entnehmen ist. Die Statistik beruht auf den Zahlen von Januar 2004 und vergleicht die Entwicklung bei der IV mit dem Jahr 2003.

Netto stieg die Zahl der IV-Rentner im Jahresvergleich um rund 11000 an, was einem Zuwachs von 4,1 Prozent entspricht. Im Vorjahr war eine Zunahme von 4.8 Prozent verzeichnet worden. Die neuen IV-Renten wurden in 9 von 10 Fälllen wegen einer Krankheit ausgesprochen, hauptsächlich einer psychischen. Die zweithäufigste Ursache waren Erkrankungen bei Knochen und Bewegungsorganen. Dagegen spielen Unfälle nur eine untergeordnete Rolle. – Eine vom BfS publizierte Studie hat sich erstmals mit der Aufteilung der Neurentner auf Branchen auseinandergesetzt. Die Studie eines privaten Beratungsunternehmens basiert auf der Ausertung von 1500 IV-Dossiers aus sieben Kantonen. Statistisch gesehen liegt demzufolge bei personen, die in der öffentlichen Verwaltung arbeiten, das Risiko eine IV-Rente zu beziehen, bei 0.82 Prozent. Die Anzahl Neurentner liegt nur im Baugewerbe höher, nämlich bei 1,1 Prozent. Summa summarum erhielten 20003 5,2 Prozent der gesamten Bevolkerung im Arbeitalter eine IV-Rente. Bei Männern über 50 betrug dieser Anteil gemäss IV-Statistik 11,7 Prozent. Kurz vor dem Pensionsalter bezieht jeder fünfte Mann eine IV-Rente.

Neben renten umfassen die IV-Leistungen auch Hilflosenentschädigungen und Eingliederungshilfen. Die Anzhal der Bezüger solcher leistungen steigt seit 1992 stetig. Anfang der neunziger Jahre beanspruchten 4,6 Prozent der Versicherten eine IV-Leistung. 2003 waren es bereits 6,9 Prozent».

 

Fazit, wir haben es schon immer befürchtet: die Männer sind das schwache Geschlecht, halten nicht mehr durch – wenigstens nicht bis zur Pensionierung.

Es tönt wie ein schlechter Scherz, wenn das Prinzip der IV «Eingliederung vor Rente» lautet.

Die Gruppe, deren Rentneranteil am stärksten wächst, die Arbeitnehmer ab 50 Lebensjahren, gilt es nicht mehr einzugliedern, sondern sanft aus dem Berufsleben auszuschleichen. allen moralischen Appellen und vermeintlichen Vorzügen älterer ArbeitsnehmerInnen im Betrieb zu trotz. Wenn der Quartalsbericht poliert werden muss, dann haben die Alten Flugjahr.

Wie sagte der Arbeitsgeberpräsident Herr Hasler am 17. Oktober in der Sonntagszeitung? Er meinte die Unternehmen prüften «ohne Emotionen» auch die «Option IV» und Klartext: «Wir haben ein gesellschaftliches Problem. Immer mehr Leute können in der Wirtschaft nicht mehr bis zur Pensionierung mithalten» (Sonntagszeitung vom  17. Oktober, Seite 1). Und ob man es glaubt oder nicht, der Mann hat ganz genau das gemeint, was er gesagt hat. Und was hat er gesagt? Sie halten einfach nicht mehr mit, diese «immer mehr Leute». Womit halten sie nicht mit? Mit diesen Programmen der so genannten ökonomischen Fitness von Unternehmen

Darüber wäre nachzudenken, falls Zeit und Raum dafür wäre.

Aber diese Menschen halten nicht nur nicht mit, sie werden auch noch psychisch krank. Was heisst das genau «psychisch krank»? Der Volksmund weiss das ziemlich genau, sie spinnen halt. Und wer spinnt, dem kann man nicht glauben und wem man nicht glauben kann, der möchte vielleicht betrügen und wer vielleicht betrügen wollte, der könnte sich ja aus dem kostbaren Steuergeld eine Rente erschleichen. Uns schaudert ab solcher Perspektive.

Aber ernsthaft, spinnt, weil weil er oder sie nicht mehr mithalten kann? Und dabei wird nicht gefragt mithalten womit.

Werden solche Menschen depressiv oder aggressiv oder verblöden sie einfach?

Die Ausführungen des Arbeitgeberpräsidenten sind deutlich: immer mehr Leute halten mit der Wirtschaft nicht mehr mit. Das sei ein gesellschaftliches Problem.

Das ist wohl wahr. Nun mit den gesellschaftlichen Problemen hat es sich so an sich, man könnte auch sagen, ein Wirtschaft, die sich so gebärdet, dass sie von immer mehr Menschen sagen muss, sie hielten nicht mehr bis zur Pensionierung mit, eine solche Wirtschaft könnte man – nur mal als Vermutung formuliert, nicht wahr – eine solche Wirtschaft könnte man möglicherweise mit Fug und Recht als ein gesellschaftliches Problem bezeichnen. Gesellschaftliche Probleme bestehen darin, dass Diskrepanzen wahrgenommen werden, aus durchaus verschiedenen Perspektiven, der Gesellschaft, so wie sie erlebt wird und den Vorstellungen darüber, wie die Gesellschaft sein sollte.