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Zunächst einmal werden die Gefahren der AKW's, nicht zuletzt die nachwievor absolut ungelöste Frage der atomaren Abfälle nicht erwähnt, sondern keck behauptet:
«Unter klimapolitischen Gesichtspunkten verfügt die Schweiz bekanntlich über einen geradezu idealen Produktionspark für den Strom. Über die gesamte Wertschöfpungskette, also vom Uranabbau über den Kraftwwerksbau bis zur Stromproduktion, schneidet die Kernkraft punkto CO2-Emissionen fast so gut ab wie die Wasser- und besser als die Windkraft».
Ein schönes Beispiel dafür, wie wichtig es für eine Argumentation immer ist, den Rahmen, also die Frage, die mit dem Diskurs zu beantworten ist, festzulegen. «CO2-Emissionen»: selbstverständlich stimmt diese Aussage so verkürzt.
Das «Klimaproblem» ist aber in diesem Sinne nicht einfach das globale Problem.
Es kann letztlich nur verstanden werden, als Folge einer Art des Umgangs einer auf der kapitalistischen Produktionsweise aufbauenden Weltgesellschaft mit dem, was als ihre «natürliche Umwelt» aufscheint. Bislang fehlen im Hinblick auf das, was man einen «Risikodiskurs» nennt vollständig die Abschätzungen dafür, wie sich Wissens, Technik, ihre Herstellung und ihre Gebrauch im Rahmen der kapitalistischen Produktionsweise auf diese sich ständig verändernde «Systemumwelt» auswirken.
In der Nahsicht des wirtschaftlichen Handlungsraumes treten selbstverständlich Phänomene auf, wie «Stromlücke», «Versorgungsengpass», «zu viel» aber auch «falscher» Wettbewerb.
Dabei wird im Zusammenhang mit der CO2-Problematik vollständig ausser acht gelassen, dass der hauptsächliche CO2-Ausstoss nicht durch die Stromproduktion verursacht wird, sondern durch die Gebäudeheizung und die Mobilität (Autoverkehr und Flugverkehr). Gewiss sind die Emissionen von Gas-, Öl-, Steinkohle- und Braunkohlekraftwerken nicht zu bagatellisieren, aber man soll doch ihre relative Marginalität gegenüber den anderen CO2-Emitenten nicht ausser acht lassen.
Brav wird auch von der zeitlichen Dimension Abstand genommen. Sie erinnern sich doch noch, kluge Leserin und schöner Leser an den 17. Juli 1918?
Was?
Sie erinnern sich nicht?
Wirklich nicht?
Nun die NZZ hilft Ihnen, sich zu erinnern, auf Seite 11 nämlich in der Rubrik «Vermischtes». Neben der Invasion der koffeinahltigen Limonade der roten Bullen in Frankreich, dem Auslaufen von 400 Tonnen Dieselöl in die Elbe nach einer Schiffskollision in Hamburg, dem Tod eines im parkierten Auto in Südfrankreich vergessenen Kleinkindes, einer Bewährungsstrafe für einen seit ein paar Wochen beurlaubten  katholischen Priesters von zehn Monaten wegen des sexuellen Missbrauchs eines Kindes –  neben all dem efahren wir also auch, dass am 17. Juli vor 90 Jahren der abgesetzte russische Zar mit seiner gesamten Familie von den Wachtruppen der Bolschewiki ermordet wurde. In Russland erinnert man sich dieser Morde, hat doch die russisch-orthodoxe Kirche, die damals ermordeten Romanows im Jahr 2000 kurz und bündig für heilig erklärt.
Aber darauf will ich gar nicht hinaus.
Ich wette, dass Ihnen dieses damals welthistorische Ereignis ein wenig aus der Erinnerung gerutsch ist, jetzt haben wir es wieder zurückgeholt.
Nun radioaltive Brennstäbe aus AKW, die müssen zuerst einmal ein paar Jahre «abklingen», eine schöne Rhetorik, nicht wahr, so wie der Orgelton des Hochamtes für die Zarenfamilie in der Kathedarale noch ein wenig ausklingt, bevor man nachdenklich über den Roten Platz nach Hause geht, am Mausoleum vorbei, wo Herr W. Ulinanow, genannt Lenin, im Glassarg langsam vor sich hin modert. Er war es doch, der doch gesagt hatte, Sowjets (zu deutsch: Räte)  und Elektrizität, das sei der Kommunismus, aber das nur nebenbei.
Wenn die Brennstäbe dann etwas «abgeklungen» sind, kommen sie in die so genannte Wiederaufbereitungsanlage. Hier werden sie umständlichen chemisch-physikalischen Prozeduren unterworfen. Ein Teil des «wiederverwendbaren» Urans-235 wird dort konzentriert, andere Stoffe abgesondert, in Säuren aufgelöst, wieder chemisch gebunden, verdickt usw. Ein besonders interessanter Stoff ist hier das Plutonium, das sich ebenfalls als so genannter Brennstoff für AKW's verwenden lässt, mit dem sich aber auch sehr effiziente Atombomben bauen lassen. Die USA haben damit 1946 in Nagasaki erste einschlägige Erfahrungen mit dem Einsatz einer solchen Waffe gemacht. Sie waren im Sinne des Wortes durchschlagend. Die Stadt stand nachher nicht mehr, von den Menschen, die vorher und nachher dort lebten, ganz zu schweigen. Neben den unmittelbar getöteten Menschen sind hunderttausende über den Zeitraum des ihnen noch verbleibenden Lebens mit schweren Auswirkungen der radioaktiven Verstrahlungen konfrontiert gewesen, sie waren krank und beeinträchtigt und zu helfen vermochte ihnen niemand. Aber Epidemiologie und die Strahlenmedizin konnten in diesem Elend doch ziemlich umfangreiche Erfahrungen sammeln.

Nun Plutonium ist auch ein schreckliches chemisches Gift, von dem wenige Miligramme tödlich sind, als starke Alphastrahler erzeugt es Krebs, vor allem, wenn es eingeatmet wird in der Lunge und den Atmungsorganen. Es hat sehr lange Halbwertszeiten, sein häufigstes Isotop Plutonium 239, eine solche von 24110 Jahren Jahren. Das heisst, dass in dieser Zeit, die Hälfte seiner Radioaktivität abgeklungen ist. Nehmen wir 20000 Jahre, da befinden wir uns gesellschaftlich gesprochen noch in der Altsteinzeit, ungefähr zu der Zeit als die Höhlenbilder von Altamira vielleicht entstanden sind. Pfeil und Bogen werden eben erst gerade erfunden. Die Menschen in Europa fürchten den Säbelzahntiger und jagen und flüchten vor dem Mamut, einem inzwischen ausgestorbenen Eiszeitelefanten.
Damit nach heutigem Verständnis ein radioaktiver Stoff sicher aufbewahrt wird, sicher im biosphärischen Sinne, was meint, dass dieser Stoff keine negativen Auswirkungen auf die Biosphäre, also auf das Leben auf dem Planeten mehr zu entfalten vermag, sollte er fünf bis sechs Halbwertszeiten von der Biosphäre weg, sicher aufbewahrt werden. Das wäre also im Falle unseres Plutoniums etwa 100000 Jahre. Genauer müssen wir das gar nicht wissen.

Vor hunderttausend Jahren, man muss das Wort mal auf der Zunge vergehen lassen, das lebten also auch nocht die so genannten Neanderthaler, die Vettern des homo sapiens und dieser stieg noch hauptsächlich im Osten Afrikas in den Steppen herum und war eben daran, sich nach überall hin auszudehnen. Er hatte eben die Technik der Werkzeugerfindung und des Werkzeuggebrauchs entwickelt, indem er gelernt hatte, Steine mit Steinen zu behauen. Bleiben wir doch noch etwas bei der Technik. Einer der ältesten Werkstoffe der Menschen ist Zement/Beton, die ältesten Funde aus der heutigen Türkei können gegen 10000 Jahre alt sein. Das Ziel im Umgang mit Plutonium ist es, nun diese hochradiaktiven Abfälle zu verglasen, ja Sie haben richtig gelesen, bzw. gehört. Man möchte Glaskörper aus ihnen machen und diese dann in so genannt geologisch stabilen Schichten, das sind im übrigen nicht Gesteinsschichten, die stabil sind, sondern solche, die von den Geologen als stabil bezeichnet werden, was ein subtiler, aber nicht unwichtiger Unterschied sein kann, eingelagert werden. Glas ist ein Werkstoff, der seit vielleicht 4000 Jahren bekannt ist, aus Ägypten etwa, aus der Zeit als dort Pyramiden gebaut wurden, in der 4. Dynastie etwa. Diese Glaskörper werden in Stahlbehälter verpackt. Stahl wird hergestellt aus Eisen. Die Eisenverarbeitung ist ungefähr 3000 Jahre alt. Entwickelt wurde sie, wie so vieles in der heutigen Türkei, im damaligen Hetthiterreich. Diese konnten die Herstellungstechnologie über einen Zeitraum von  mehreren hundert Jahren geheimhalten. In der Entwicklung der Technik der Eisenbehandlung durch das Schmieden wurde dann auch entdeckt, dass die Einarbeitung von Kohlenstoff, das Eisen sowohl härter als auch geschmeidiger macht. Die Menschen, die das konnten, waren die Schmiede, eine Berufsgattung, die in vielen Kulturen sowohl bewundert wie auch verachtet wurden, als Schänder des Leibes der Mutter Erde, als Zauberer und als für die Herrschaft unverzichtbar.

Hephaistos, ihr griechischer Gott, der im Vulkan Ätna lebt, ist ein hinkender, körperbehinderter, hinterlistiger Mensch, dem die Götter die schöne Aphrodite zur Frau gaben, gleichsam als Strafe für ihre Verköperung der Erotik. Aphrodite aber betrog ihren Mann mit dem Ares, dem ehernen Gott des Krieges, der von den Produkten des Hephaistos einen besonderen Gebrauch zu machen verstand. Wenn wir schon bei den antiken Göttern sind, Plutonium ist nach Pluto benannt, nicht nach dem tolpatschigen Hund von Micky Mouse und Goofy, sondern nach dem römischen Gott der Unterwelt, der Proserpina raubte, die schöne Töchter der  Mutter Erde, der Demeter, nach der die Antroposophen, ihre Müesli nennen.
Wie auch immer, eine weitere antike Göttin wäre hier wohl zu nennen, die der Hybris, der Überheblichkeit und des Übermutes. Die Menschen der heutigen Zeit schicken sich an mit einer Technik, die sie erst seit gut 100 Generationen kennen, in Zeiträume von 1000 und mehr Generationen vorzustossen. Das alles lässt sich im Kontext von AKW's wunderbar ausblenden, wenn man die Frage auf die CO2-Problematik fokussiert. Das macht also Thomas Held, mit seinem oben zitierten Einleitungssatz.
Aber damit ist er ja erst am Anfang seines Diskurses, den zu analysieren sich lohnt.
Thomas Held findet auch, dass die in seiner eigenen Insitution verfasste Studie zur Elektrizitzätsversorgung in der Schweiz, dass der Mix aus Wassserkraft und Atomstrom, doch eine gute Sache sei, und stellt fest, dass eine für ihn unverständliche Skepsis den Ausbau dieser beiden Elektrizitätsproduktionen bremst. Im Falle des Ausbau des Grimselstauwerks spricht er gar von einem Trauerspiel und entspannt sich dann beim Referieren des Faktums, dass immerhin die Ausstiegszenarien aus der Atomstromproudktion in der Schweiz bisher nicht mrhheitsfähig gewesen sind, um dann festzustellen:
«Die Diskrepanz zwischen Leistungsausweis und gesellschaftlich-politischer Wahrnehmung der Kernenergie resultiert aus einr Art Glaubensentscheidung, weitgehend abhängig von Güterabwägungen».
Der Skandal, der ihn bewegt, liegt dort, dass selbst bei einem Anstieg der Atomkraftbefürworter, von 40 auf 50% der in der Schweiz lebenden Menschen, es noch immer zur politischen Korrektheit gehöre «Atom - nein danke zu sagen». Und ganz im Stil des ehemaligen Frühlingsblumenrockers aus Solothurn vertritt er eher eine Position des «me Dräck!», da die Nuklerarindustrie gleichsam voraussetzungslos als etwas Böses schlechtin dargestellt werde, das sich in der politischen Öffentlichkeit kaum mehr hinterfragen lasse.
Das hat viele Gründe. Zunächst stelt er fest, dass in der föderalistischen Schweiz das autarkistische «small is beautifull» noch immer auf einen fruchtbaren Boden fällt und allen Grossprojekt immer mit einer gewissen Skepsis entgegengetreten wird.Dann ortet er weiteren orientierungslosen Blödsinn etwa darin:
«Umgekehrt herrscht eine von ökonomischen Überlegungen unbefleckte Begeisterung über die 5000 Anmeldungen für Einspeisungen aus Klein- und Kleinstkraftwerken!»  Und er fragt sich, wie es kommt, dass man die schönen Skaleneffekte von Grossproduktionen einfach so schnöde ausser acht lassen kann. Dann stellt er fest, dass die Elektrizitätsproduktion in der Schweiz sich zwar grossmehrheitlich in öffentlicher Hand befindet, aber vollständig verzettelt ist, während umgekehrt einezwar komplex verschachtelte, aber dennoch «straff geführte»  Lobby eine Art «Widerstandsbewegung» in Szene setzt.
Damit nicht genug. Unser Autor muss leider auch feststellen, dass die grüne Bewegung, die Nachfolge der 68er Bewegung angetreten –  in der er selbst ja ein damals fast berühmter Studentenführer gewesen ist, aus dessen Professur dann doch nicht wurde, der es aber über Managerjobs bei Ringier und als selbständiger Consultant, der half das Luzerner Kongresszentrum zu stemmen, dennoch zu einiger Prominenz und Akzeptanz gebracht hat –  eine typische deutsch-romantische Naturschwärmerei und Waldsterbehysterie pflegend, die historische Parteienlandschaft verändert hat. Dass es «les Verts» sind, aus der Romandie, welche die Grünen zur Zeit vorantreiben, muss ihn hier nicht gross kümmern, wenn er gleich so schön am Austeilen ist. Nun unsere Qualitätszeitung wäre nicht die, die sie ist, wenn sie nicht auf der Seite vorher, nämlich Seite 13 ein Porträt des Präsidenten der Grünen Partei der Schweiz (GPS) bringen würde, der zwar aus Genf ist, aber als Arbeiterkind dem bernischen Oberaargau entstammt, mit Kochlehre in Luzern, der Stadt, aus welcher Thomas Held, dem Grossbürgertum entspriessend, herkommt, sich dann nach SP-Eintritt und Gewerkschaftsengagement nach Genf wandte, dort sich um maoistischen Umfeld umgetrieben hat, um dann als Sozialarbeiter und schliesslich Gewerkschaftssekretär politische Karriere zu machen vorerst in Genf und dann in Bern. Den Genfern hat er womöglich die deutsche Waldromantik mitgebracht und vermittelt, wenn man sich noch an die Auseinanderstzungen um den Plutoniummeiler, den so genannten «schnellen Brüter» in Creys-Malville erinnert, die in den siebziger Jahren in Frankreich zu einem militatenten Protest geführt haben. Aber so genau muss man das ja hier gar nicht wissen. Und so fährt unser Autor fort, um prompt beim Trauma von Kaiseraugst zu landen, wo es eine Niederlage absetzte, da die Geschichte, wie unser Autor träf feststellt, folgendes zeigt: «Sie zeigt, dass das föderalistische Geflecht, der Mangel an Kapazität und Kompetenz und auch an politischer Führung auf Bundesebene (es war eben damals ein SPler- Energieminister /eog), aber nicht zuletzt auch Konflikte, Sonderinteressen und Arroganz innerhalb der Industrie den anfänglich schwachen Verhinderungskräften schon lange vor der spektakulären Besetzungsaktion in die Hände spielten» .
Schliesslich stellt der Autor auch noch fest, dass das rot-grüne Lager seine Existenz letztlich nur dem Kampf gegen die Atomwaffen, vor allem gegen die westlichen Atomwaffen verdanke, «dann gegen die Nutzung der Kernkraft überhaupt». Er erinnert damit, wohl eher unfreiwillig daran, dass tatsächlich die Atombomben auch eine Art «Nutzung der Kernkraft überhaupt» darstellt. Das hat man doch fast schon vergessen, es erscheint irreal, vielleicht noch ein Thema bei Staaten wie Nordkorea, Iran usw., aber nicht hier bei «uns» im Westen, in Europa. Wir vergessen dabei die Anzahl der Atomwaffen die in Europa lagern und deren Exlosionskraft und Strahlung ausreicht, um die Menschen, die auf der Erde leben, um ein Mehrfaches zu töten. Wir haben das beinahe schon vergessen, weil es uns unerräglich erscheint, uns tagtäglich darn erinnern zu müssen, dass wir wie Günther Anders  in seinem grossartigen Buch «Die Antiquiertheit des Menschen» (1984 (1956) Zürich, Ex Libris, im ersten Band von einem «Zeitalter der Unfähigkeit zur Angst spricht» . Dort findet sich der im Sinne des Wortes «merkwürdige» Satz: «Denn Angst ist heute zur Ware geworden; und über Angst spricht heute jedermann. Der Risikodiskurs organisiert gewissermassen die Diskontraten der Ware «Angst» im Kontext eines bestimmten sozialen Problems. Aber aus Angst sprechen nur sehr wenige» (Anders 1984(1956), S. 264). Anders nennt uns, die wir im Zeitalter der Bombe leben «Analphabeten der Angst» und er analysiert dann die Wurzel dessen, was er «Apokalypse-Bindheit» nennt. Mit dem Zeitalter der Atombobme haben die Menschen gelernt, dass sie die Gefahren verdrängen müssen, in die sie sich durch die von ihnen selbst verursachten Probleme begeben, welche sie ihrem prometheischen Tun verdanken. Aber wer will sich noch fürchten, wer weder weiss, wer Prometheus ist, noch das Gedicht des Weimarer Dichterfürsten über ihn kennt? Das Vergessen der Ursprünge ist ein wichtiges Moment jeglicher Herrschaft. Wer nicht mehr weiss, woher er kommt, der weiss auch nicht wohin der Weg führt, den er einschlägt und den er eingeschlagen hat, aufgrund der Erkenntnisse und des Wissens von Gestern, die ihn imdurchs Heute ins Morgen führen. Angesichts der atomaren Apokalypse hat Günther Anders einen wahren Satz formuliert:

«Zehn Ermordete zu bereuen oder zu beweinen, sind wir unfähig. Sich so «auszudehnen», um zehn Ermorderte «meinen» zu können, ist die Reue unfähig.
Vorstellen können wir die zehn Toten vielleicht. Zur Not.
Aber töten – können wir Zehntausende. Ohne weiteres. Und die Leistungssteigerung wäre und ist kein Problem.
oder: Vor unserem eigenen Sterben können wir Angst haben. Schon die Todesangst von zehn Menschen nachzufühlen, ist uns zuviel. Vor dem Gedanken der Apokalypse aber streikt die Seele. Der Gedanke bleibt ein Wort –» (Anders 1984(1956), S. 269).

Der Gedanke an die Apokalypse bleibt eben ein Wort und so können wir fortfahren, heute an Morgen zu denken, wie wenn es das Gestern nie gegeben hätte.
Aber wir sind weit abgeschweift und wollen zu unserem Autor zurückkehren. Nachdem er also in einer etwas eigenartigen historischen Sicht – aber schon Thukydides, einer der Väter der Geschichtsschreibung, hat ja, wie man weiss, in der Einleitung zu seiner Geschichte des Peloponesischen Krieges darauf hingewiesen, dass das Geschäft der Geschichtsschreibung, immer ein von einem Standpunkt, einem Interesse aus betriebenes sei – darauf hingewiesen hat, dass rot-grün sich dem Kampf gegen die Atomwaffen, gegen die westlichen zumal, wie er betont, verdankt, muss er sich weiter ereifern, weil eben aus der Widerstandsbewegung gegen das AKW Kaiseraugst, dessen endgültige Liquidierung die schweizerische Bevölkerung der Aktivität des Altbundesrates Christoph Blocher, damals Nationalrat, verdankt, eine rituelle Glaubensbewegung geworden ist, deren Ausläufer er wieder zu erkennen glaubt in einem Beschluss des Atomausstieges in die Gemeindeordnung der Stadt Zürich.  Ob so viel freiwillger Preisgabe von Skaleneffekten kriegt der Direktor der schweizerischen Zukunft gleich Hühnerhaut, denn ihm erscheint ob all dieser Obstakel, die sich dem flotten Ausbau der Atomkraftwerke in der Schweiz türmen «die notwendige Erneuerung bzw. der Ausbau des bewährten Produktionsparks fast schon als eine «mission impossible». Nun wissen wir ja, dass jene, die die unmöglichen Missionen meistern, jene sind, die das Zeug zum Helden haben, nome est omen, gewissermassen vermeint man fast zu denken.
Die Idee der von ihm als «suboptimal» bezeichneten Strategie, AKW's durch Gaskraftwerke als Zwischenlösung zu ersetzen, hält er für ein blosses Abschieben der Herausforderung auf die nächste Generation. Hier liegt ein Problem, wo er recht hat, da hat er recht. Dieses Problem besteht, es besteht auch im Hinblick auf die CO2-Problematik, wo das Problem, das die drei im 20. Jahrhundert lebenden Generationen geschaffen haben, auf die nächsten zehn bis zwölf Generationen verschoben wird, während das Problem, das uns die «Nutzung der Atomenergie» verschafft, locker die nächsten tausend Menschengenerationen umfasst, falls die Menschen so lange noch sind.
Aber unser Held wird hier Abhilfe schaffen, und zwar mit dem, worauf er sich versteht: Kommunikation.
«Im Interesse einer glaubwüriden, d.h. konsistenen Kommunikation sollte es die Industrie erstens vermeiden, selbst in die Falle einer moralischen Abwertung der Kernkraft zu geraten. Wenn eine ausreichende, sichere, saubere, günstige und moderne Stromversorgung (hat unser Autor irgendeines der wichtigen positiven Schlüsselworte vergessen? eog) als notwendiges Übel dargestellt wird, werden unterschwellig die Positionen der technik- und fortschrittlichfeindlichen Atomkraftgegner übernommen». Der Sprachgebrauch ist hier subtil und politisch korrekt: Wer «Kernkraft» sagt, der sagt es erstens «richtig» und zeigt damit, dass er technik- und fortschrittfreundlich ist, im Gegensatz zu jenen, die «Atomkraft» sagen und damit eben gegen die Technik und den Forschritt sind. Diese Sprachregelung ist nun auch schon einige Jahrzehnte alt, und der Autor hat recht, die Atomkraftwerke sind ein wenig in der Defensive. Blöd für ihn, dass ausgerechnet am 17. Juli 2008, als sein Artikel erscheint, der französische Umweltminister angeordnet hat, das Grundwasser rund um die Standorte aller französischen AKW's – Frankreich bezieht fast 80% seines Stroms aus Atomkraftwerken – nach Radioaktivität zu untersuchen, da der begründete Verdacht besteht, es könnte da und dort schon seit einiger Zeit, das eine oder andere flüssige und nicht erwünschte Produkt aus dem AKW ins Grundwasser geraten sein. Nun soll man ja nicht übertreiben, Nullrisiko gibt es nicht. Bloss Nulltorlaranz gegenüber Scheininvaliden, Scheinasylanten. Zum Glück noch nicht gegen Scheindenker, wie unser Autor sich als einer outet. Der Risikodiskurs hat uns eben auch gelernt als ein weiterer Lernschritt des Copings der Apokalyse, damit zu leben, dass wir alle irgendwann sterben, und dass es irgendwie logisch erscheint, dass die Kapitaleigner an diesen Eintretenswahrscheinlichkeiten herumbasteln, zu unserren Gunsten versteht sich, so jedenfalls stellen sie es in der Regel dar.
Aber uns Held entwirft nun eine heldenhafte Strategie zur Rettung der AKW's. Als ersten muss der Scheinwettbewerb, pardon der «Pseudowettbewerb» der verschiedenen Standorte weg. Wir lernen wieder etwas. Wettbeweb ist im Prinzip das einzig Richtige, aber eben nicht immer, manchmal muss im höheren Interesse die Interessendifferenz koordiniert und bereinigt werden, weil grosse Projekte sich sonst nicht stemmen lassen. Aber damit nun nicht die Idee aufkommt, der Autor, als Altlinker, könnte insgeheim doch gegen den Wettbewerb überhaupt sein, fährt er fort: «Dies schliesst überigens einen Wettbewerb um die Erstellung bzw. Systeme nicht aus, einen Wettbewerb zudem, der international geöffnet werden müsste und nur schon deshalb auf verlässliche Rahmenbedingungen angewiesen ist» Wir atmen erleichtert auf, der Wettbewerb wird nicht abgeschafft, nur der Scheinwettbewerb, derjenige also, der keiner ist, keiner sein soll, weil er dem Ziel, AKW's zu bauen in die Quere kommen könnte. Und das der Autor damit auch schon gleich die Frage nach dem Staat stellt, denn der Staat ist ja bekanntlich jene gesellschaftliche Instanz, die unter der Führung des Blocks an der Macht, die antagonistischen Kräfte der Gesellschaft mit seiner Gewalt zu einem Kompromiss zwingt, wird nun die Regierung beschworen. Deshalb brauch es für den Autor Thomas Held einen politischen Masterplan auf Bundesebene für den Erastz, bzw. den Ausbau der Atomkraftwerke. Er nennt dies politisch korrekt «Ausbau der Kernkraft». Dieser Masterplan müsste sowohl definieren, was «Erneuerung» ist – damit man ein altes AKW durch ein neues ersetzen kann, ohne dass man sagen muss, dass man ein neues gebaut hat –, die Standorte benennen – zur Abschaffung des schädlichen Pseudowettbewerbs – und vielleicht auch sogar die Kapazitäten nennen. Der Autor wird hier vorsichtig, denn nur ungern mag er es dem Staat überlassen, die Kapazitäten zu definieren. Man spürt sein zutiefst liberales Unbehagen gegenüber jeglicher Planwirtschaft. Aber er steckt in einem Dilemma. Er muss wohl die Kröte schlucken, dass der Staat hier ordnend eingreift, weil sonst die von ihm benötigte politische Konsensfindung für den Ausbau der Atomenergie, pardon die «Erneuerung der Kernkraft» wohl nicht machbar sein wird.
«Ein solcher Masterplan müsste von der Regierung und vom Parlament in geeingeter Form bestätigt werden. Dies ist nicht nur als Test für den politischen Willen zu einer zukunftsgerichteen Energiepolitik wichtig, sondern auch als Signal and die Verwaltung. Der Vorschlag eines solches Masterplans ist kein Plädoyer für staatlichen Interventionismus, sondern die Konseqeunz aus der extremen Asymmetrie, welche bei diesem für die Schweiz so bedeutenden Erneuerungsprojekt zwischen Machern und Investoren auf der einen Seite und den Verhinderungskräften andererseits besteht».
Denn, und das zeigt der diesem Zitat gleichnachfolgende Satz:
«Selbst wenn es Anzeichen gibt, dass die jüngere Generation die Kernkraft wieder unideologischer, nüchterner, man könnte sagen: ökonomischer beurteilt als die Veteranen von 1968, bieten die helvetischen Verfahren Verzögerungsmöglichkeiten ohne Ende. Grosse komplexe Unterfangen können auch nach positiven Volksentscheiden auf der Strecke bleiben, vor allem wenn es noch gelänge, verschiedene Projekte gegeneinander auszuspielen. Aus diesem Grunde käme eine passive Haltung des Bundes faktisch der Verhinderung einer gesicherten Energiezukunft gleich».
Geschafft! Wir atmen auf, der Autor hat heldenhaft die Kurve gekriegt: ohne AKW's keine Ernergiezukunft. Nun diese alte Platte hören wir seitdem 1969 Beznau I ans Netz ging; sie hat nüchtern gesehen niemals gestimmt, aber jeder hört gerne Evergreens, zumal von einem der mal selbst ein 68er ist, und der nun das Problem alternder Männer hat, ein Veteran zu werden. Von den Veteranen weiss man ja, dass sie mal konnten und nun nicht mehr können, ein verfluchter Status, wohl wahr.
Gleichzeit amüsiert es, zu lesen, wie beinahe die Gesamtheit aller abgedroschenen Floskeln und rhetorischer Wendungen im Artikel von Thomas Held aufgefahren werden, um seinen Ruf nach einer staatlichen Intervention – darauf läuft sein Text hinaus – als «vernüftig» und das ist bei ihm allemal «ökonomisch» erscheinen zu lassen. Ob er wohl noch weiss, woher das schöne Wort «Ökonomie» stammt?